Stadtkultur Münster

Muenster Theater im Pumpenhaus 6407

Das Theater im Pumpenhaus. Vorbild auch für die freie Musikszene?

Das Theater im Pumpenhaus, 1985 gegründet, gehört zu den ersten freien Theaterhäusern in Deutschland. Mit einem großen Bühnenraum und dem externen Produktionszentrum Hoppengarten zählt das Pumpenhaus heute zu den größten Produktionszentren der freien darstellenden Kunst in Nordrhein-Westfalen.

Welchen Raum braucht die vielfältige Freie Szene?

 

 

Von Rock bis Pop, von Klassik bis Heavy Metal, von Folk bis Jazz, Chöre, Orchester, Bands, Einzelkünstler:innen. Die musikalische freie Szene in Münster ist vielfältig. Wie groß sie ist, weiß in der Stadt niemand zu sagen. Sie tritt an vielen Orten in ganz unterschiedlichen Konzertatmosphären auf, hat ihre eigenen Fans und bereichert das Kulturleben der Stadt mit einer breiten Angebotspalette. So unterschiedlich die Akteur:innen, so unterschiedlich ihre Bedürfnisse.

Die freie musikalische Szene besteht aus professionellen Musikschaffenden und den vielen Amateurgruppen. Die Unterscheidung ist wichtig. Während die Amateure sich für ihr geliebtes Hobby einsetzen, dabei eher Geld ausgeben als einnehmen, bestreiten die Professionellen mit ihrer künstlerischen Tätigkeit einen Teil ihres Lebensunterhalts. Beide Gruppen haben gesellschaftliche Bedeutung und benötigen eine Infrastruktur in der Stadt, die ihre Musikausübung ermöglicht. Die großen Amateurchöre und -orchester arrangieren sich damit, ihre Proben und Konzerte vorwiegend in Schulen, in Räumen der Universität oder der Kirchen durchzuführen. Nicht alle diese Räume sind ideal. Und gerade bei Publikumsandrang von mehreren hundert Hörer:innen werden geeignete Räume knapp. Ein großer Konzertsaal mit entsprechender Infrastruktur und Akustik wäre für sie alle ein großer Fortschritt. Die freien Professionellen bilden eher kleinere Gruppen zwischen zwei und dreißig Personen. Sehr wenige der Akteure haben sich bei moNOkultur zusammengeschlossen, um ihre Ansprüche und Bedarfe gemeinsam zu vertreten. Die Vielfalt ihrer Sorgen wurde in einem Dossier der online-Zeitung RUMS kürzlich von Sebastian Fobbe zusammengetragen.

Im Projekt Musik-Campus wurde die freie Szene spät entdeckt. Die “Trias” aus Musikhochschule, Sinfonieorchester und Westfälischer Schule für Musik hatte sie genauso übersehen wie die Antreiber OB Lewe und Dr. Wessels. Um ihr Jahrhundertprojekt nicht zu gefährden, wurden Vertreter:innen von moNOkultur im letzten Moment in die Gespräche einbezogen. Ergebnis: im MC soll die Freie Szene (die in diesem Konzept übrigens “freie Musikakteure” heißen, weil sowohl die professionelle wie die Amateurszene gemeint ist) ca. 700 qm des Gebäudes zur exklusiven Nutzung bekommen. 200 qm für ein “Musiklabor” als Produktions- und Aufführungsstätte und 500 qm für Probenräume unterschiedlicher Größe. Diese Probenräume würden mehrere Millionen Euro kosten. Ist das gut angelegtes Geld? Wir vergleichen:

Sehr viele Akteur:innen der Freien Professionellen Szene klagen über fehlende Probenräume, die geeignet und bezahlbar sind. Nehmen wir einmal die ca. 400 Bands, die im Münsterbandnetz zusammengeschlossen sind: Eine Aufstellung listet aktuell vier Probenzentren (überwiegend in Industriegebieten) auf, in denen etwa 110 mehr oder minder geeignete Räume – häufig in schlechtem Zustand, kalt und feucht – von den Bands genutzt werden. Ein weiteres Probenzentrum in der Loddenheide wäre realisierbar gewesen. Wenn… ja wenn die Stadt bereit gewesen wäre, eine Bürgschaft von 100.000 € zu übernehmen. Hier weigert sich die Verwaltung, Münsters Bands mit diesem geringen Aufwand (eine Bürgschaft, keine Investition) substantiell zu unterstützen. Beim MC dagegen will sie für ca. 20 Probenräume vier Millionen Euro investieren. Wo bleibt die Logik?

Ganz einfach: für das Projekt MC musste die Freie Szene aus politischen Gründen gewonnen werden. Die Vertreter:innen, die mit der Verwaltung verhandelt haben, gehörten zur verschwindend kleinen Gruppe der MC-Befürworter:innen innerhalb von moNOkultur. Der Deal kam der Verwaltung politisch gelegen, koste er, was er wolle. Wenige teure Probenräume für Wenige, statt Hilfe für die Freie Szene, wo sie wirklich gebraucht wird.

Immerhin hat die Diskussion um den MC dazu geführt, dass die Freie Szene ein Musikförderkonzept entwickelt. Die Akteur:innen der vielfältigen Freien Szene drückt der Schuh an ganz unterschiedlichen Stellen: die einen brauchen Geld für Equipment, andere suchen Unterstützung für Festivals, die nächsten benötigen Probenräume, wieder andere möchten die Infrastruktur von Aufführungsstätten optimieren. Das Kulturamt hat im April 2023  die Erstellung eines Musikförderkonzepts in Auftrag gegeben. Im November sollten erste Zwischenergebnisse veröffentlicht werden, wurden nun aber wieder abgesagt. Aber auch das fertige Konzept wird zunächst nur ein Papier sein. Es kann erst dann Wirkung entfalten, wenn es mit entsprechender Finanzierung hinterlegt wird. Förderkonzepte für die Bildende und die Darstellende Kunst gibt es übrigens schon lange. Für die Musik fehlt es noch. 

Will die Freie musikalische Szene ihr Wesen behalten, nämlich frei und selbstbestimmt Konzerte und Projekte zu gestalten, an vielen unterschiedlichen Locations der Stadt, mit vielfältigen Konzepten und unterschiedlichen Fangruppen, dann wäre ein MC mit seiner Einheitsatmosphäre genau das Gegenteil dieser Identität der Freien. Und damit wären die eingeplanten vier Millionen für 20 Probenräume völlig falsch eingesetzt. Denn auch in Münster kann jeder Euro nur einmal ausgeben werden. Wenn die Stadt der Überzeugung ist, mit dem MC sämtliche Bedarfe der Freien Szene abzudecken, wird sie deren weitere Forderungen mit Hinweis auf den MC abschmettern. Diese Erfahrung musste das Gazo-Kollektiv (Kulturelle Nutzung des Gasometers plus Umgebung) gerade machen. 

Die dezentrale Lösung von stadtkultur würde den Freien ermöglichen, an allen Standorten (Musikhochschule, Westfälische Schule für Musik, martini forum) mit entsprechenden Vereinbarungen anzudocken und die Räumlichkeiten mitzunutzen. Das “Musiklabor” wäre z.B. ideal in der Musikhochschule untergebracht und könnte den Freien genau so zur Verfügung stehen wie dem Studiengang Music Production und weiteren Gruppen an der Hochschule.

Anstatt viele Millionen für Probenräume im teuren MC auszugeben, könnte die Stadt ein Gebäude finden, das dem Theater Pumpenhaus für die Darstellenden Künstler:innen entspräche. Ein “Pumpenhaus der Musik”: mit eigenem Charme, selbstbestimmt von den Freien verwaltet und bespielt. Rosige Aussichten!