Das martini forum mit Konzertsaal und Raum für demokratische Entwicklung der Stadtgesellschaft
1200 Plätze hatte die Stadt- und Konzerthalle, die 1920 zentral in der Neubrückenstraße eröffnet wurde. Seit ihrer Zerstörung im 2. Weltkrieg wartet Münsters Musikwelt seit fast 80 Jahren auf einen Neubau. Mehrere Versuche sind aus unterschiedlichen Gründen gescheitert. Die aktuellen städtischen Überlegungen zur Belebung der Innenstadt geben den richtigen Rahmen für einen neuen Anlauf. Der Rat hat schon vor mehreren Jahren seinen Willen bekundet: der Hörster Parkplatz als letzte größere freie Fläche im Zentrum soll für die Kultur reserviert bleiben. stadtkultur sieht daher den Moment gekommen, ein zukunftsfähiges kulturelles Forum für den Martiniplatz (z.Zt. noch Hörster Parkplatz) zu planen.
Viel mehr als ein Konzertsaal
Ein Magnet soll er werden: der Musik-Campus an der Hittorfstraße. Allerdings würde er Musikausübende und ihr Publikum aus dem Zentrum wegziehen. Ist das angesichts verödender Innenstädte wirklich ein gutes Konzept? Der allein seligmachende Mega-Musikmonolith würde für eine Austrocknung der traditionellen Konzertorte im Zentrum sorgen, wie Stadttheater, Musikhochschule am Ludgeriplatz, Rathausfestsaal). Übrig bleiben die Kirchen mit ihrem speziellen Konzertrepertoire, einige Locations alternativer Musikangebote und der Erbdrostenhof mit seinen seltenen Kammerkonzerten.
Aber Ausführende und Konzertbesucher säßen an der Hittorfstraße ebenfalls buchstäblich auf dem Trockenen. Denn ein urbanes Umfeld gibt es dort nicht und wird rund um das Coesfelder Kreuz auch nicht entstehen können. Die Entwicklung in anderen Städten zeigt es: Konzerthallen ohne innenstädtisches Flair werden vom Publikum nicht angenommen bzw. nach und nach im Stich gelassen (Oetkerhalle in Bielefeld). Ist diese Perspektive tatsächlich 300 Millionen wert?
Kulturbauten sind nicht trivial, denn Sie sollen mindestens 100 bis 150 Jahre Bestand haben und damit auch künftigen Generationen dienen. Damit sind sie ein Thema für Zukunftsforscher, die sich damit beschäftigen, welche Megatrends die Zukunft unserer Gesellschaften bestimmen werden.
Megatrends haben eine Dauer von mindestens mehreren Jahrzehnten und zeigen Auswirkungen in allen gesellschaftlichen Bereichen, in der Ökonomie, im Konsum, im Wertewandel, im Zusammenleben der Menschen, in den Medien und im politischen System.
Wer den Blick über die münsterschen Stadtgrenzen hinaus richtet, findet gerade zum Thema Kulturbauten der Zukunft sowohl bereits realisierte Beispiele als auch Grundsatzüberlegungen von Expert:innen aus aller Welt zu Sinn und Nutzen von Kulturbauten, ihrer partizipativen Entwicklung oder ihrer veränderungsoffenen Architektur. Sieben hochinteressante lectures zu diesem Thema finden sich hier.
Wie sehen Kulturbauten der Zukunft aus? Einige Antworten zitiert aus den “digital lectures”:
1. Wenn über die Rollen der kulturellen Institutionen diskutiert wird, dann müssen auch die Veränderungen des Publikums berücksichtigt werden: In den vergangenen 50 Jahren gab es tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen, sogenannte enkulturative Brüche. In Bezug auf das Kulturpublikum zeigen sich diese Brüche beispielsweise in der Diversifizierung des Publikums (seit den 1980er Jahren) sowie in Veränderungen bei der Freizeitgestaltung und des Freizeitverhaltens (seit den 1990er Jahren). Die klassische Trennung von Freizeit- und Hochkultur und die strenge Trennung von Sparteninteressen haben sich weitestgehend aufgelöst. Diese Veränderungen müssen bei den Kulturbauten der Zukunft berücksichtigt werden.
2. Nicht nur das Publikum, sondern auch die künstlerische Arbeit hat sich verändert: Sparten und Formate verschmelzen, enge Disziplinen verschiedener Künste lösen sich ineinander auf und Räume für neue künstlerische Ansätze werden geschaffen. Dies hat auch Auswirkungen auf die Architektur und Ausstattung von Kulturinstitutionen.
3. Zentrale Fragen für die Weiterentwicklung einer Kulturinstitution sind:Wie kann sich eine Kulturinstitution aus ihrer eigenen Geschichte heraus für die Zukunft weiterentwickeln? Wie lautet der Auftrag? Und wie positioniert sie sich im räumlichen, inhaltlichen und gesellschaftlichen Kontext? Um diese Frage beantworten zu können braucht es einen intensiven Prozess und genügend Zeit.
4. Ein neuer, partizipativer Raum sollte zunächst ausschließlich ein niedrigschwelliger Ort der Begegnung und der Versammlung sein (Agora-Prinzip), der keinen weiteren Zweck (Vermittlung, Verkauf, Erklärungen o.ä.) erfüllen muss.
5. Jede Institution hat ihre eigenen Stärken und zahlreiche Aufträge, mit denen sie erfolgreich in die Zukunft gehen kann. Kulturelle Institutionen brauche „nur“ den Mut, um sich einerseits ihrer Stärken bewusst zu werden und sich andererseits für die Erfüllung eines konkreten Auftrags zu entscheiden und sich auf eben diesen zu konzentrieren.
6. Verschiedene Nutzungsarten und Funktionsvermischungen tun Kulturbauten gut, denn auch ihr Publikum unterscheidet kaum noch zwischen Freizeit- und Hochkultur. Die unterschiedlichen Angebote und Nutzungskonzepte müssen sich auch in der Kommunikation und Vermarktung der Kulturbauten widerspiegeln.
7. Die Best Practices beweisen, dass sich Investitionen in öffentliche Räume der Kulturbauten für die Stadt und für ihre Bevölkerung kulturell wie auch sozial lohnen. Es braucht Ort, die öffentlich genutzt werden können. Durch diese öffentlichen Räume wird eine breite Akzeptanz für aufwändige Kulturbauten erreicht.
Zukunftsforscher halten monothematische Kulturbauten wie den Musik-Campus für nicht mehr zeitgemäß. Im Gegenteil: verschiedene Nutzungsarten und Funktionsvermischungen tun Kulturbauten gut, denn auch ihr Publikum unterscheidet kaum noch zwischen Freizeit- und Hochkultur. Ein martini forum auf dem Hörster Parkplatz (künftig Martiniplatz?) könnte diese Forderung – im Gegensatz zum Musik-Campus – bestens erfüllen.
Ein Konzertsaal als Ort für Live-Musik aller Sparten: Rock und Pop, Klassik, Jazz, Helene Fischer, Folk, Blues, Latin und vieles mehr. Die Konzertplanung für ortsansässige wie auswärtige Konzertveranstalter wäre nicht durch die Doppelfunktion als universitärer Konferenzsaal beeinträchtigt. Der Saal wäre für das Sinfonieorchester Münster fußläufig zu erreichen und der gewünschte ideale Proben- und Konzertsaal.
Zudem müsste ein zukunftsfähiger Kulturbau auch ein partizipativer Raum werden, der als niedrigschwelliger Ort der Begegnung und der Versammlung dient (Agora-Prinzip) und keinen weiteren Zweck (Vermittlung, Verkauf, Erklärungen o.ä.) erfüllen muss. Räume für demokratische Entwicklung, gesellschaftliche Begegnung, Integration und vielfältiges kulturelles Leben stünden im martini forum zusätzlich bereit. Stadtplanerisch wäre das martini forum prädestiniert, als ganztägig geöffneter und genutzter Verbindungsraum zwischen dem neu zu konzipierenden Martiniviertel und dem durch Leerstände bedrohten Zentrum Menschen in die Stadt zu ziehen und mit Leben zu erfüllen.
Auch ökologisch ist der Standort dem Campus-Standort überlegen, denn der Bauplatz besteht bereits aus versiegelter Fläche.
Europäische Beispiele für zukunftsfähige Kulturbauten:
Theater Basel – Foyer Public (https://www.theater-basel.ch/de/foyerpublic)
Forum Groningen (https://forum.nl/, und hier zum Thema Finanzen: https://de.wikipedia.org/wiki/Forum_Groningen)
DOKK1 Aarhus (https://dokk1.dk/)
Amerikanische Gedenkbibliothek Berlin (https://www.zlb.de/)
Deichman Bibliothek Oslo https://deichman.no/bibliotekene/bj%C3%B8rvika, https://de.wikipedia.org/wiki/Deichmanske_bibliotek
Die Best Practices in anderen europäischen Städten beweisen, dass sich Investitionen in öffentliche Räume der Kulturbauten für die Stadt und für ihre Bevölkerung kulturell wie auch sozial lohnen. Es braucht Orte, die öffentlich genutzt werden können. Durch diese öffentlichen Räume wird eine breite Akzeptanz für aufwändige Kulturbauten erreicht.